Pro Tools HDX im Test

 

 

Wir haben getestet - das vielgelobte und mit Vorankündigungen überhäufte neue Hardwaresystem von AVID! Aber der Reihe nach. Getestet haben wir ein Pro Tools HDX mit OMNI Interface, Software 10.1, und das mit einem MacPro 2 x 2,66 Quad Core, SSD/HD, 32 GB RAM, Lion 10.7.2

 

Verpackung und Zubehör waren wie gewohnt übersichtlich und stabil und man kann davon ausgehen, dass unser OMNI Interface den langen Weg von Amerika bestens überstanden hat. Sehr gut verpackt auch die HDX Karte, die mit der schwarzen Verkleidung der Hauptplatine richtig "sportlich" ausgesehen hat. Neu ist der Umstand, dass beim Einbau in den Rechner (MacPro) nun die Karte mit der Hauptplatine direkt verbunden werden muss. Stecker und Kabel sehen dabei ein wenig filigran aus, aber schließlich ist ja nicht viel Platz, wenn einiges eingebaut werden soll. Die Stecker der Hauptplatine hätten in der Einbauanleitung, die übrigens auch in deutsch vorgelegen ist, etwas besser beschrieben werden können. Aber mit ein wenig Suchen wurde auch das Problem gelöst.

Anstelle des bisherigen Flachbandkabels für den TDM Bus wurde ein richtig kompakter Stecker beigelegt, der bei zwei Karten diese zusätzlich stabilisiert, was sicher kein Nachteil ist.

Das Gerätekabel zum OMNI hat die übliche Länge (3,80 m) und es Bedarf gegenüber dem Vorgänger wieder ein wenig an "Schraubkraft", da diesmal keine Klipps zur Anwendung kommen. Die Stecker sind sehr klein geraten und an der Rückseite des Rechners sollten keine Kinder, AufräumeriInnen oder Hunde vorbeilaufen können, da der Stecker relativ weit herausragt. Bei sehr geringer Steckfläche besteht daher Abbruchgefahr und somit eine mögliche Beschädigung der HDX Karte.

Der Karteneinbau selbst war wie gewohnt einfach: reinschieben, fixieren, fertig.

 

Der Anschluss an das OMNI (oder auch anderer Interfaces) erfolgt wie üblich: Die erste Karte gibt den Reference Code aus und dort wird das Kabel mit dem OMNI verbunden. Beim OMNI selbst erfolgt der Anschluss wieder über den Primary Port.

 

Dem System liegen neben den Registrationskarten und dem Autorisierungscode auch ein neuer iLok bei. Programm DVD oder CD gibt's nicht mehr, alles wird über's Netz erledigt. Die Software Pro Tools HD 10.1, ausschließlich für die HDX Hardware, wird also wieder übers Netz geladen und hält zur Zeit bei 2.20 GB ohne Virtual Instruments. Nach Registrierung und Bekanntgabe des iLok Kontos steht alles zum Download bereit. Auf Grund des Fehlens einer WIN Version ist anzunehmen, dass HDX derzeit nur auf der Mac Plattform zur Verfügung steht.

 

 

Softwareinstallation und Programmstart

 

Eigentlich nimmt das Mac Betriebssystem alle Arbeiten wieder ab. Einige Male klicken und der Rest erledigte sich von selbst. Nicht vergessen, vorher die iLok Lizenz auf den iLok herunterladen! Nach der Installation der Software 10.1 und der Virtual Instruments, der Kontrolle des iLoks, der Verbindung zum Interface, konnte es einmal losgehen. Start!

 

PTHDX 01Erster Schock? Nein, nur die Meldung, dass ein Firmware Update (deutsch: Kartenaktualisierung) durchgeführt wird. Dauerte ein paar Minuten und dann war alles in Ordnung. Hinweis durch eine neue Meldung: Die Hardware (Chassis) muss VOR dem Start des Rechners gestartet werden (nona!).

 

Danach Öffnen der ersten Session (neu ohne Vorlage) und Errichtung eines Sets für den Test. Es fiel sofort auf, dass alles sehr flüssig von der Hand geht. Fenster und Einträge, Inserts und Zuordnungen, alles sehr schnell, aber nicht sonderlich erwähnenswert.

 

Import von Audio, klappt vorzüglich. Wer die Qualität schon beim Import beeinflussen möchte muss in den Grundeinstellungen kramen und findet dort einige globale Filter, die zB. aus "normalen" Waves schon bessere AES31/Broadcast taugliche konvertiert. Weiters kann man auch wählen, ob man auch beim Import immer kopieren möchte usw. Nicht zu vergessen, dass es jetzt ja auch Sessions im 32 bit Gleitkomma Modus gibt.

 

Abspielen der ersten Tracks und man hört - nichts! Klar, Hardware Setup konfigurieren. Das Interface wurde zwar erkannt, aber es sind keine sofort spielbaren Sets geladen, daher einmal das Monitoring zuweisen und schon - nein, auch noch den Mute-Schalter am OMNI deaktivieren. Dann klappt es!

Nach der Durchspielung des gesamten Handlings konnte man sagen, dass alles beim alten war. Man fühlt sich sofort wohl, aber es hat sich ja auch nichts Besonderes auf der Oberfläche getan. Die neuen Features wir Clip Rain usw. funktionieren einwandfrei und man muss eigentlich nicht viel Neues dazu lernen.

 

 

"Alte" Sessions

 

Es ist schon von vorher bekannt gewesen, dass der Umstieg in eine höhere Version immer kleine Umstellungen innerhalb vorheriger Sessions erfordern, ja - diesmal kam aber hinzu, dass eigentlich nichts mehr dort war, wo es hätte sein sollen. Erstens musste das gesamte I/O Routing erneuert werden. Mit ALT Taste ging das so einigermaßen. Lästig war vielmehr, dass auch alle möglichen und nicht zur Verfügung stehenden I/O des Pro Tools Aggregate in der Auswahl angezeigt wurden. Hier wäre wohl ein Schalter nett, der bei Verwendung "mit Hardware" den Rest ausschließen würde und dann alle diese Pfade in der Vorschau unterdrückt. Überhaupt sehnt man sich eine wenig an die Zeit zurück, wo alle erdenklichen Interfaces ohnehin beim Einschalten erkannt worden sind, ohne Treiber usw.

 

 

TDM / AAX Plug Ins

 

Was im Umgang mit bestehenden Sessions aber viel schwerer wog, waren die Plug Ins. Da mangelt es noch kräftig. Trotz intensiver Suche in der AVID Seite werden bis jetzt nur wenige, über das Grundpaket hinausgehende AAX Plug Ins angeboten. Reverbs fehlen dabei komplett und auch die hauseigenen Plug Ins wie Reverb One, ReVibe usw. gibt es einfach nicht. Da es diese auch nicht im RTAS Mode (heute: Native) nicht gegeben hat, klafft an dieser Stelle ein großes Loch. Die Grundausstattung wird lediglich durch den neuen Channel Strip für EQ und Dynamics aufgebessert. Die Drittanbieter wanken zwischen "bald verfügbar" und in jedem Fall "zahlen" und daher konnte auch beim besten Willen dort noch nichts gefunden werden. Enttäuschend, dass auch AVID nicht daran gedacht hat, die hauseigenen Plug Ins rechtzeitig AAX kompatibel zur Verfügung zu stellen, So hat man zwar dafür die Lizenz, aber keine Software. Vorherige TDM Plug Ins können zwar problemlos installiert werden, stehen aber nach dem Start des Programms nicht zur Auswahl.

 

 

RTAS / Native Plug Ins

 

Ausgenommen von dieser Misere sind die bisherigen RTAS Plug Ins, die, auch von Drittanbietern, problemlos installiert werden konnten und sich auch aufrufen ließen. Dies sicher deshalb, weil im Application Support immer noch der Ordner "digidesign" existiert, also die vorherige Pfadstruktur vorhanden ist. In den nun genannten "Mehrkanal Native PlugIns" fanden wir alle "alten Kameraden" nach der Installation wieder.

 

Darunter fallen auch fast alle Virtuellen Instrumente wie Kontakt, Albino uva. Funktionieren wie bisher - nur besser! Im Test haben wir erfreulicherweise festgestellt, dass durch die nun höhere Leistung und die Unterstützung der höheren bit-Technologie auch die Übertragung dieser Tongeneratoren deutlich angehoben worden ist. War man bisher gewohnt, dass zwischen dem ankommenden und verarbeitenden Signal ein deutlich sicht- und hörbarer Unterschied festzustellen war, gehört dies nun der Vergangenheit an. Die Übernahme erfolgt ähnlich wie beim bisher einzigen TDM Instrument Acces Virus 1:1, also mit höherem Tonumfang als bisher. Virus gehört übrigens auch derzeit noch zu den nun "gestorbenen" TDM Plug Ins.

Man hofft jedenfalls, dass dieses bestehende Manko bald behoben sein wird und hinter erworbenen Lizenzen auch wieder vernünftige Programme stehen werden.

 

 

Die Leistung - Testaufnahme Audio (200 Tracks!)

 

PTHDX 03Außer Streit und damit erneut unübertroffen, zeigt sich die Leistung des HDX Systems. Erst bei 200 Stereo Spuren mit eingebautem Channel Strip konnten wir das System an den Rand des Wahnsinns drängen und trotzdem klappte alles. Und das bei nur einer Aufnahme Harddisk. Start, Einstieg und Quick Punch gaben keinen Hinweis auf eine Zeitverzögerung. Die 18 DSP Chips kratzten auch nicht am System und boten volle Leistung. "Normale" Sessions mit 24 bis 48 Spuren ließen bei konsequenter Auslastung mit Plug Ins mehr als zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Chips frei. Man hat also wirklich nicht zuviel versprochen, was die Leistung des Systems anbelangt.

 

Und wie ging es dem MacPro bei soviel Leistung? Eigentlich merkte er vermutlich überhaupt nicht, was sich so in seinen Bauteilen abspielte. Die CPU's waren mit 40 - 48° C im normalen Bereich, die Festplatten hatten 36 - 38° C zu bieten und die SSD schlummerte bei 30° C im Schatten. Kein Fan der sich regte und auch bei hoher Belastung blieben alle Werte im grünen Bereich.

 

 

 

 

 

Fazit

 

Ist Pro Tools HDX zu empfehlen? Jein! Wer eben an einer Produktion bastelt oder fast fertigen Produkte den letzten Schliff geben möchte, der ist schon auf Grund der noch fehlenden AAX Plug Ins zum Warten verdammt. Weiters empfiehlt es sich nicht, nach einem kompletten Wechsel der Soft und Hardware die "alten" Session anzufassen - ausgenommen man möchte ohnehin neue Mischungen erzeugen. Der Aufwand, diese Sessions "spielbar" zu machen, ist nicht unwesentlich und vorherige Master sind mit Sicherheit nicht mehr anzuhören. Natürlich ist das vom Einsatz der verwendeten Plug Ins abhängig, das war aber auch vorher schon so. Wer also "nur" RTAS verwendet hat, muss ausgenommen der neuen Outs keine neuen Zuteilungen durchführen. Aber wer hat das schon?

 

Wer sich aber derzeit mit dem Gedanken spielt, ohnehin ein System der Marke Pro Tools zu erwerben, ohne Rücksicht auf vorhandenes Material, dem kann geraten werden, auf das HDX System zu greifen. Die Leistung ist wirklich enorm und man kann ja hoffen, dass AVID in nächster Zeit das Manko der AAX Plug Ins beheben wird. Schon alleine wegen der sicher großen Käuferschicht, welche jetzt auf teuren und nicht mehr funktionierenden TDM Plug Ins (inkl Heat, nicht zu vergessen!) sitzt. Alleine die wirklich guten Klangeigenschaften, auch durch die höheren Bits gewährleistet, die Nutzung der tatsächlichen CPU Ressourcen und auch die neu überarbeitete Hardware, lassen diesen Schritt in jedem Fall befürworten. Und letztlich ist auch die Preisentwicklung ein nicht zu unterschätzender Teil vom Ganzen. Die Grundausstattung inklusive der angebotenen Kombinationen mit unterschiedlichsten Interfaces sind sogar zum Teil günstiger, als die bisherigen HD Systeme und das kommt sicher nicht alle Tage vor. Wer also was wirklich Professionelles haben möchte, dem ist sicher ein Kauf zu empfehlen.

 

In diesem Sinne - viel Spaß beim Grübeln.

 

digisound

 

29.01.2012